Eines unserer markantesten Bauwerke in Mühlbach ist zweifelsohne unser Denkmal, welches hoch über unserem Heimatort wacht. Es scheint so als sei es trotz seines prominenten Standorts
ein wenig in Vergessenheit geraten. Die immer stärker werdende Vegetation um das Denkmal herum
trägt zu dieser Wahrnehmung wohl auch ihren Teil bei. Vielen scheint dabei gar nicht bewußt zu sein, welches Juwel wir hier besitzen. Mit einer Grundfläche von 40 x 50 Metern handelt es sich um eine der größten Anlagen dieser Art im ganzen Land. Trotz des monumentalen Charakters wirkt das Denkmal emotional weder drückend noch erschlagend. Mit seinem heimischen Sandstein fügt es sich wie selbstverständlich in die umgebende Landschaft ein.
Grund genug, es sich genauer anzusehen.
Nach dem 1. Weltkrieg entstanden in ganz Europa Orte, an denen würdevoll an die Opfer gedacht werden konnte. Damals sprach man noch allgemein vom „Weltkrieg“ oder vom „großen Krieg“, da man davon ausging, daß dieses Ereignis einzigartig bleiben werde.
Für einen solchen Erinnerungs- und Gedenkort war auch Mühlbach auserwählt. Dies begründet sich zum einen darin, dass der renommierte Stuttgarter Architekt Jakob Förster als ein gebürtiger Mühlbacher ein Schulkamerad von unserem damaligen Bürgermeister Herrn Beisel war. Diese beiden entwarfen das Grundkonzept.
Wer schon einmal im Berliner Olympiastadion war, ja vielleicht sogar auf dem dortigen Glockenturm mit Blick über das denkmalgeschützte Olympiagelände stand, wird eine erstaunliche Ähnlichkeit mit diesem Glockenturm und der ihn umgebenden Langemarkhalle zu unserem Denkmal feststellen. Das kommt wohl nicht von ungefähr, zumal Herr Förster gut mit den zur gleichen Zeit in Berlin tätigen Architekten befreundet war. Wir haben in Mühlbach sozusagen die kleine Ausführung bekommen.
Zum anderen gab es damals den sehr aktiven „Kriegerverein Mühlbach“, welcher das Dorfgeschehen engagiert mitgestaltete und stets an den sogenannten Blumentagen für wohltätige Zwecke sammelte. So wurde im Jahr 1889 zum Beispiel für die „Kinderkrankenpflege“ gesammelt, „…um die Versorgung dieser armen Geschöpfe in Krankenanstalten“ zu verbessern. Im Jahr 1911 sammelte man „zum Besten kranker und bedürftiger Veteranen“.

Für das Denkmal wählte man einen besonderen Ort. Die Silhouette der südlichen Anhöhe über Mühlbach, wie man sie heute wahrnimmt, entstand zu einem großen Teil aus dem über Jahrhunderte angehäuften Schutt unserer Steinbrüche. An einigen Stellen ragten aber schon vor Jahrtausenden die
charakteristischen Ausläufer des Strombergs hervor. Dort liegt im Untergrund gewachsener, massiver Stein. Ideal für das Fundament eines solchen Bauwerks. Auch die Geschichtsträchtigkeit dieses Platzes passte, da man davon ausgeht, dass dieser exponierte Platz schon in der Steinzeit durch die Kelten genutzt wurde. An bedeutenden Stellen mit weiter Rundumsicht stellten diese schon vor 4000 Jahren imposante große Steine und Wegsäulen -sogenannte Menhire- auf. Im Volksmund werden diese gelegentlich auch als Hinkelsteine bezeichnet. Asterix & Obelix haben da vielleicht ihren Teil zur Verwendung dieser Bezeichnung beigetragen.
Das damalige Baugesuch beschreibt den Standort als „[auf] einer Anhöhe oberhalb des Ortes […] gelegen, von welchem fast der ganze Kraichgau zu übersehen ist und dessen […] Gipfel direkt in die Dorfstraße hineinschaut. Das Denkmal sollte ein Ort des würdigen Gedenkens aber eben auch ein Ort der Zusammenkunft und der Gemeinschaft sein. Architekt Förster spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „Waldkirche“.
Nach gerade mal einem halben Jahr Bauzeit war das Werk vollbracht, im Juli 1935 wurde das Kriegerdenkmal feierlich der Bevölkerung übergeben. Extra zu diesem Anlass reiste der badischen Innenminister Karl Pflaumer an. Im September desselben Jahres wurde der Steinbildhauermeister Alfred Grittmann damit beauftragt, die Namenstafeln der Opfer des 1. Weltkrieges anzufertigen. Das Denkmalgelände wurde fortan rege von allen örtlichen Vereinen und Institutionen genutzt.
In der Epoche nach dem 2. Weltkrieg schrieben die amerikanischen Besatzer vor, dass „…nicht nur bewegliche Hoheitsabzeichen wie Fahnen, Wimpel und Standarten…“, sondern auch in Stein gemeißelte Denkmäler auf unerwünschte Hoheitsabzeichen zu prüfen seien. So wurde festgelegt, dass ein vorhandenes Hakenkreuz über der Namenstafel zu entfernen sei. Es wurde letztlich zu einem griechischen Kreuz umgestaltet. Weit weniger verständlich ist, dass dieser „Säuberung“ auch das große, prachtvolle Sandsteinschwert, welches talseits am Fuße des Turms in die Fassade eingefasst war, zum Opfer viel.

In dieser Zeit wurde der Turm auch links und rechts mit Anbauten ergänzt, um Platz für die Namenstafeln der Gefallenen und Vermissten des 2. Weltkrieges zu schaffen. In den 90er Jahren begannen sich die massiven Mauern links und rechts des Turmes gen Tal zu wölben. Die Entwässerung funktionierte nicht mehr, das Mauerwerk gab dem anstehenden hydrostatischen Druck nach. Damals wurde durchaus auch ernsthaft darüber diskutiert, ob man solche Orte der Erinnerung noch braucht, ob ein Abriss nicht besser sei. Das wäre fatal gewesen.
Wer Orte der Erinnerung vernichtet, vernichtet seine eigene Identität. Wer seine Wurzeln abschlägt, um dadurch vermeintlich moralisch zu wachsen, wird eingehen. Das haben letztlich auch die politischen Vertreter erkannt und so konnte man sich nach längeren Diskussionen doch dazu durchringen, das unter Denkmalschutz stehende Bauwerk zu sichern.
Die Arbeiten hierzu fanden im Sommerhalbjahr 2022 statt. Dabei wurden die Wölbungen in den Mauern leider nicht wieder korrigiert, sondern mit einem betonierten Ringanker in dieser schiefen Form fixiert. Die Bausubstanz der Mauern scheint durch diese Maßnahme aber zumindest mittelfristig gesichert zu sein. Die Standfestigkeit des Turmes war davon ohnehin nicht betroffen, hier gab es im Gegensatz zu den Mauern keinerlei Bedenken. Trotzdem nutze man diese Möglichkeit um auch die Fassade des Turms komplett zu renovieren. Mit seinem 24 Meter hohen Turm bildet das Mühlbacher Denkmal ein einzigartiges Sichtdreieck zur Burg Ravensburg und zur Burg Steinsberg, welche beide ebenfalls wohl auf keltischen Ursprung zurückgehen.
Diese beeindruckenden Sichtachsen waren bis Anfang der 2000er Jahre noch vollständig vorhanden. Die Vegetation ist dann leider über viele Jahre nicht mehr gepflegt worden, sodass der freie Blick, vor allem in
Sulzfelder Richtung, mittlerweile verschwunden ist.
Sie sehen liebe Mühlbacherinnen und Mühlbacher, wir haben hier ein echtes Juwel, welches uns täglich zum Frieden mahnt, und für das man sich bestimmt nicht schämen muss.
Ein Stück Geschichte zum Anfassen.

Wir sehen uns am Volkstrauertag am Denkmal.
Und vielleicht legt auch unter dem Jahr mal wieder der ein oder andere ein Sträußchen an diesem beschaulichen Platze nieder…


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